Freitag, 16. August 2013

Eine Biberacher Sage

Staub und Rauch und Aschenebel 
minderten der Sonne Kraft.
Sommer schwieg, vom Schmutz geknebelt,
Ernte ward dahingerafft.

Kinder schrien Hungerlieder,
Regenwasser stank wie Gift.
Vieh lag matt und schwach darnieder,
Meister Tod schwang seinen Stift.

Mancher Monat war vergangen,
seit Tambora Feuer spie.
Asche hielt die Welt gefangen,
kälter schien der Sommer nie.

Trotz Entbehrungen und Hungers
oder auch genau darum,
zäumten Menschen ihren Kummer,
feierten und trieben um.

Spät im Jahr, im tiefsten Schwaben,
in der Reichsstadt Biberach,
gürteten sich wackre Knaben
Trommeln um und schlugen Krach.

Mit dem Scheppern ihrer Felle,
stimmten sie die Bürger mild.
Und es schien, die Kältewelle,
wich dem nächsten Wetterbild.

Seither ziehen Schützentrommler
Jahr für Jahr durch ihre Stadt,
schlagen Märsche, wirbeln, trommeln,
wie's der Herrgott gerne hat.

Samstag, 30. März 2013

Der Schwedentrunk

File:Water torture.png


Der Hauptmann schwang das Schwert und brüllte „vorwärts!“
Sein Tross marschierte gierig in die Stadt.
So fern der Heimat, voller Zorn und Weltschmerz,
befahl der Feldherr: „Walzt die Feinde platt!“
Ein wilder Mob aus plündernden Gardisten
zog lüstern und berauscht von Haus zu Haus.
Sie ließen sich vom Teufel überlisten
und lebten ihren Blutrausch trunken aus.

Zwei Tage herrschten Terror, Bangen, Tränen,
dann rief der Hauptmann seinen Tross zurück.
Die Schwedenkrieger ließen sich bezähmen.
Wer lebte, dankte Gott für dieses Glück.
Nur einer war vor Wut noch wie benommen:
Jakobus Seitz schwor Rache - schwor vor Gott!
Sie hatten ihm sein Liebesglück genommen,
drum träumte er sich henkend aufs Schafott.

Im Schwedenlager hockten seine Feinde,
der Hauptmann wog sich sicher, träumte, schlief.
Jakobus schlich sich heimlich, wie er meinte,
ins Lager, weil der Durst nach Blut ihn rief.
Mit einem Strick und zwei gewandten Burschen,
kroch er zum Zelt des Hauptmanns, voller Hass.
Ein Wachmann sah die drei im Dunkeln pirschen.
Wie hatte sie die Blindheit doch erfasst?

Sie nahmen wenig Rücksicht auf ihr Leben,
vergaßen alle Vorsicht, nah beim Zelt.
Da dachte sich der Wächter: „Euer Streben
sei euch durch meine Wachmannschaft vergällt!“
Er schickte seine tapfersten Soldaten,
die kreisten die Rebellen heimlich ein.
Kein Flüstern hat den Schwedenplan verraten,
die Krieger rückten vor, mit List, geheim.

Ganz plötzlich attackierten sie die Rächer,
Jakobus traf ein Speer von langer Hand.
Durchs Lager tönte höhnisches Gelächter,
als sich Jakobus Seitz in Schmerzen wand.
Er sank zu Boden, nah bei den Gardisten.
Da trat der Hauptmann müde aus dem Zelt. 
 Wer Rache will, muss sich mit Vorsicht rüsten,
damit er nicht in falsche Hände fällt.

Sie fesselten die drei mit ihren Stricken
Der Hauptmann sprach: „Ich lade euch zum Trank!“
In Jauche sollt ihr jämmerlich ersticken,
dann wisst ihr, wie euch Gott die Rachsucht dankt.“
Der Schwedentrunk floss ätzend in drei Kehlen,
die Rächer würgten bang bei jedem Schluck.
Jakobus Seitz blieb tapfer, trotz des Quälens,
und hat den feisten Hauptmann noch bespuckt. 

Er lag am Boden, ausgestreckt zur Folter,
da beugte sich sein Peiniger herab.
Jakobus spuckte Jauche, weil er grollte,
die Häscher traf ein Schwall, Jakobus starb.
Ein Speer schoss durch die Luft, der Hauptmann wankte,
sein Leib fiel über Jakob, schwer wie Blei.
Wem jener die Genugtuung verdankte,
war angesichts des Todes einerlei.

Freitag, 15. März 2013

Schmitz und Beukel


Schmitz hielt der Partei die Treue,
Beukel galt als Tunichtgut.
Deutschland formte sich aufs Neue,
Schmitz bekannte seine Wut.

Als sie Montags demonstrierten,
Beukels Freunde? - nein, “Das Volk“,
fragte Schmitz die Deputierten,
ob man Chinas Beispiel folgt.

Panzer sollten sie zerquetschen,
die Verräter der Idee:
„Jene, die den Staat zersetzen,
denen tun wir gerne weh!“ 

Schmitz, ganz informeller Sammler,
trug zu Beukels Akten bei.
Beukel war ein fauler Gammler,
Staatsballast für die Partei.   

All die Denker, all die Künstler,
fühlten sich dem Westen nah.
Imperiale Machtbegünstler,
sah Herr Schmitz als „die Gefahr.“

Er war ganz Parteigenosse,
beugte sich dem Machtregime,
 stieg hinauf ins Reich der Bosse,
dieser Stand behagte ihm.

Beukel erkannte die Zeichen der Zeit,
er war verwegen, zum Aufstand bereit.

Lange, zu lange, verschwieg er den Groll.
Nun war das Maß der Genügsamkeit voll

„Wir sind das Volk“, brüllte er in die Nacht.
„Spitzel und Stasi missbrauchen die Macht.“

„Öffnet die Grenzen, befreit unser Volk!
Andernorts sind sie dem Ruf schon gefolgt!“

„ Wenn ihr uns anhört, vergeben wir euch!
Ihr, deren Rückgrat sich willfährig beugt:

Schätzt eure Chancen und trefft eine Wahl,
schenkt uns die Freiheit, erspart euch die Qual.“

„Wir kämpfen weiter, wenn’s sein muss, fließt Blut.
Glaubt an des Volkes verwegenen Mut!“

Schmitz hielt der Partei die Treue,
Beukel galt als Tunichtgut.
Deutschland formte sich aufs Neue,
bald verging dem Schmitz die Wut.

Er gab sich nun demokratisch,
trat für die Befreiung ein.
Stimmte, nun schon fast fanatisch,
in den Chor der Neurer ein.

Immer schon sah Schmitz es kritisch –
das Gehabe der Partei.
Selber war er unpolitisch,
war „nur so“ beim Stab dabei.

Lindern wollte er das Unrecht,
half dem Volk mit Rat und Tat.
Er gab sich loyal, doch unecht,
lebte heimlich den Verrat.

Seit der Wende wuchsen Flügel
an des Schmitzchens Rückenschild.
Demokratisch ungezügelt,
zeichnet er von sich ein Bild.

Heute ist er Bürgermeister,
Beukel schrubbt den Rathausflur.
Alle Bürger sind begeistert,
Revoluzzer stören nur.

Donnerstag, 14. März 2013

Der Kirchturmbrand


Sankt Martinus und Maria –
zwei Gestalten, ein Gewand.
Kirche ohne Streit und Zwietracht,
Gläubige in selber Hand.

Fünfzehnhundertvierundachtzig
nahm das Unheil seinen Lauf:
Aus der Ferne drang ein Grollen,
dunkle Wolken zogen auf.

Golden schien die Abendsonne,
Dächer glühten feuerrot.
Dann war schon die Nacht gekommen,
niemand ahnte Leid noch Not.

Lauer Wind strich durch die Gassen,
friedlich schlief der Glockenturm.
Nur ein sanftes Regenprasseln
kündete vom Sommersturm.

Mit dem ersten Wetterleuchten
peitschten Böen jäh heran.
Hagelschauer schlugen Schneisen,
Gottes Zorn entbrannte dann.

Windgeheul und Sturmgetöse
Blitze zuckten durch die Nacht.
Einer traf die Kirchturmspitze,
Bürger sind vor Schreck erwacht.

Flammenzungen lechzten gierig,
fraßen sich ins Turmgebälk.
Plötzlich fiel die Glocke nieder,
wie ein Blatt, so reif und welk.

Protestanten, Katholiken,
folgten jenem Glockenschlag,
löschten, was die Feuer fraßen,
durch die Nacht, bis in den Tag.

Menschen, unter Schutt begraben,
letzter Rauch im Morgendunst;
schwarze Asche, Tränen, Klagen
blieben von der Feuersbrunst.

Sankt Martinus und Maria –
zwei Gestalten, ein Gewand.
Kirche ohne Streit und Zwietracht,
Gläubige in selber Hand.