Samstag, 22. Dezember 2012

Charlotte Corday

Ein kalter Winter fraß die Ernte,
der Mehlpreis stieg, die Armut wuchs.
Als schon Rousseaus Ideen flammten,
da traf das Volk ein Hungerfluch.

Man teilte Menschen in drei Stände,
in Klerus, Adel, Pöbelvolk.
Der Reichtum floss in reiche Hände,
so maß der König den Erfolg.

Der dritte Stand wand sich in Krämpfen,
derweil Versailles manch Fest genoss.
Was blieb da übrig, als zu kämpfen?
Schon tobte er, der Bauerntross.

So stürmten sie die graue Festung,
Bastille fiel im Verzweiflungsakt,
die Menschen schöpften neue Hoffnung,
ein Offizier starb wimmernd, nackt.

Auf einer Lanze spießten Rächer
das Haupt des Königstreuen auf.
Der höchste Stand schien schwach und schwächer,
die Feuersbrunst nahm ihren Lauf.

Unweit der Hauptstadt
genoss sie Erziehung –
Charlotte Corday
lernte emsig und schnell.
Mit jedem Buch wuchs ihr
innere Führung.
Kühne Ideen,
erstrahlten ihr hell.

Aufklärung hieß, dass
kein Hunger mehr plagte.
Menschen entkamen
dem Joch ihres Stands.
Wenn erst der König
den ersten Schritt wagte,
strahlte sein Name in
ewigem Glanz.

Doch dieser König
bekämpfte die Armen,
schreckte zurück,
vor dem einfachen Volk.
So wähnte er noch
die Seinen im Warmen,
als schon der Lynchmob
die Adligen molk.

Charlotte beflügelten
all die Gedanken,
die Robespierre
über Frankreich ergoss.
Die Monarchie
kam darüber ins Wanken,
schon stürmten Weiber
des Sechzehnten Schloss.

Sie töteten die Wachmannschaften
und zwangen Ludwig in die Stadt.
Sie ließen manchen Graf verhaften,
die Monarchie schien abgeschafft.

Das Werk getan, die Welt verändert,
was war, erstarb im Pulverdampf.
Gewalt zerschnitt die letzten Bänder-
wann endete der Bauernkampf?

Die Jakobiner herrschten blutig,
gehetzt vom Arzt Jean Paul Marat.
Charlotte sprach ihn im Wirken schuldig,
er trieb den Mob zur Gräueltat.

In seinem Hetzblatt, seiner Zeitung
verlangte er noch Tod um Tod.
Der Armut folgte nun Verzweiflung,
schon wieder war das Volk in Not.

Im Nachklang der Septembermorde
ersann Charlotte sich einen Plan.
Bald stand sie an verhasster Pforte
und bot Marat Verräter an.

Der Publizist lag
entspannt in der Wanne.
Charlotte trat näher,
entschlossen zur Tat.
Sie sah hinab zu dem
boshaften Manne.
Witterte er wohl
den letzten Verrat?

Wie er sich suhlte,
der kränkliche Hetzer.
Wie er die Welt
aus dem Bad hintertrieb.
Charlotte umklammerte
heimlich ihr Messer,
 das sie erst gestern
am Schleifstein noch rieb.

Niemand erahnte
die finsteren Pläne,
Charlotte verbarg ihr
Bestreben geschickt.
Schon trat sie näher,
mit zorniger Miene,
packte das Messer
und lachte verrückt.

Sie trieb die Klinge
durch Herz und durch Lunge,
stach eisern zu,
bis ihr Opfer erlosch.
Marat erlahmte die
sengende Zunge.
Nun war er tot,
jener geifernde Frosch.

Ein Schrei erschütterte die Mauern,
die Diener stürmten rasch ins Bad.
Der Anblick ließ die Magd erschauern:
ein Messer steckte in Marat

Charlotte floh aus dem Badezimmer,
verfolgt von der erzürnten Schar.
Sie schlugen zu, sie trafen immer,
sie kamen näher - Lynchgefahr.

Gefesselt trat sie vor den Richter,
gestand ihn ein, den kühnen Mord.
Entsetzen stand in den Gesichtern,
da führte man sie zum Schafott.

Charlotte verspürte keine Reue,
ertrug die Häme ohne Schmerz.
Sie hielt dem Ideal die Treue,
ein letzter Hieb, schon schwieg ihr Herz.

Der Henker hob den Kopf der Schönen,
schlug ihr noch einmal ins Gesicht.
Da sah man ihre Haut erröten,
Charlotte vergisst die Menschheit nicht.  

Dienstag, 14. August 2012

Bernd, der Verlängerte

Bernd Mackenroth feiert heut sein Jubiläum,
vor zweihundert Jahren gebar ihn das Glück.
Er lebte stets fleißig, er drehte die Welt um,
er nahm sich vom Kuchen ein üppiges Stück.

Mit achtzig erlebte er erste Gebrechen,
die Nieren versagten, verdarben sein Blut.
Da wollte sich grausam sein Lebensstil rächen,
doch Bernd war gewappnet und blieb auf der Hut.

Bald fand sich sein Name auf einer der Listen
für Spenderorgane, schon lachte der Tod.
Denn Bernd stand ganz unten, war einer der Letzten,
er bangte ums Dasein, in kläglichster Not.

Sein Geld schien ihm nutzlos, sein Streben vergeblich,
da bot ihm ein Händler ein Blutgeschäft an.
Bernd zahlte die Summe: das nervte! Doch ehrlich –
wer zahlen kann, zahlt, pirscht der Tod sich heran.

Nach nur zwanzig Jahren, da zwickte es wieder,
die Leber versagte, vergiftet vom Wein.
Doch Bernd war erfahren, bestellte sich Dieter,
der brachte Organe und setzte sie ein.

So kaufte Bernd Lebern und Nieren und Herzen,
zum Glück funktionierte sein kluges Gehirn.
In Krankenhausbetten ertrug er die Schmerzen
und bietet bis heute dem Tode die Stirn.

Mit russischen Lungen, algerischen Beinen,
mit Fingern aus Bangkok und Haut aus Triest
wird Bernd sich am Ende mit denen vereinen,
die gern für ihn starben – drum feiern wir jetzt!

Die Welt ist gerecht, denn Bernds Geld fließt im Kreise,
je älter er wird, desto mehr zirkuliert‘s.
Verarmt er, so schwindet sein Leben ganz leise,
dann sei er dem Tode als Mahlzeit serviert.

Freitag, 22. Juni 2012

Pech gehabt



(Cameron Todd Willingham gewidmet)

Nur einen Tag vor Heiligabend
ist dir dein Wohnhaus abgebrannt.
Dein Töchterchen ergab sich klagend,
in seinen Tod, dir abgewandt.

Zwei Zwillingskinder schmorten leise,
die Flammen züngelten empor.
Du nahmst es hin, auf deine Weise,
als all dein Hoffen sich verlor.

Schon brach die Welt um dich zusammen,
geraubt war dir dein Lebensglück.
Die Rächer wollten dich verdammen,
das warf dich weit ins Nichts zurück.

Sie drangen ein in deine Wohnung,
sie fesselten, sie schlugen dich.
War sie wohl ernst, die dunkle Ahnung,
die dich im Zellentrakt beschlich?

Man führte dich vor deinen Richter,
er schaute finster, zornerbost.
„Löscht aus des Mörders Lebenslichter!“ -
so sprach er’s aus, dein finstres Los.

Zwölf Jahre in der Einzelzelle,
zwölf Jahre voller Schmerz und Pein –
das war für dich die reinste Hölle:
Wann fiel dem Mob das Töten ein?

Als Brandstifter und feiger Mörder
bezeichneten die Heuchler dich.
Ein Club gerechter Dauernörgler,
genoss dein Leid, erfreute sich.

Am Ende kam der „Tag der Rache“,
man schnallte dich auf ein Tablett.
Sie trafen dich mit ihrem Stachel,
ihr Gift floss träg in dein Korsett.

Zuvor erbrachst du letzte Worte,
gestandest deine Tat nicht ein.
Ein Mensch wie du, von deiner Sorte,
der musste wohl getötet sein.

Das Volk weiß es inzwischen besser,
kein Mensch entflammte je dein Haus!
Doch Mitleid ist für Hosennässer,
der Mob hält solchen Irrtum aus.

Mittwoch, 20. Juni 2012

Ray, der Waldjunge


Abgekämpft und ausgezehrt,
tratest du ins Rathaus.
„Ich bin Ray“, hast du erklärt,
„ich stand manchen Kampf aus.“

„Vater nahm mich einst zu sich,
drängte mich ins Abseits.
Tief im Wald verbarg er mich,
raubte meine Kindheit.“

„Wir durchschritten Hochs und Tiefs,
lebten vom Erjagten,
Ich, der zwischen Zweigen schlief,
sag’ euch, was wir wagten.“

„Eingekreist von Finsternis,
ohne Schutz vor Kälte,
spürte ich Bekümmernis,
die mich quälend stählte.“    

„Lebenszeit strich mir dahin,
nichts kommt jemals wieder.
Ich weiß nicht mehr, wer ich bin,
das drückt mich tief nieder.“

„Vater starb im Abendrot,
ich vergrub den Leichnam.
Seine Träume sind jetzt tot,
so dass ich zurückkam.“

Dies sprach Ray, das Waldeskind,
bettelnd, darbend, flehend.
Man erbarmte sich geschwind,
half ihm aus dem Elend.

Ray tauchte auf
wie ein Blitz in der Nacht
hatte das Leben
als Sonderling satt.
Vater verstarb,
mit ihm starb seine Macht.
So floh das Kind
aus dem Wald in die Stadt.   

Ray fand bald ein neues Heim
im Betreuten Wohnen.
Was er sich erdacht, erreimt,
sollte sich nun lohnen.

Kluge Geister forschten nach,
wo das Kind her stammte.
So hielt Ray die Welt in Schach,
die für ihn entflammte.

Monate verstrichen blind,
bar jeder Erkenntnis -
Woher kam das Waldeskind?
Was war sein Verhängnis?

Weil die Story fesselte,
kannte sie bald jeder,
Märchendunst verwässerte,
Wahrheit rückte näher.

Nur sein Bild im Internet
konnte Ray enttarnen.
Schon war seine Mär entdeckt,
nun mag sie uns warnen.

Ray war nie ein Waldeskind,
eher ein Verräter.
Floh aus seinem Land geschwind,
mied das Los der Väter.

Ihn vertrieb die Schwangerschaft 
seiner liebsten Freundin.
Beinah war die Flucht geschafft,
da schlug ihn der Scharfsinn.

Ray ist nun fort,
keiner weiß wo er steckt.
Seine Geschichte
hat Mitleid erregt.
Erst war sein Bild,
dann sein Name entdeckt.
Nun hofft er still,
dass der Aufruhr sich legt.

Sonntag, 17. Juni 2012

König Artos


"Genug", sprach König Artos, schwang sich trunken auf sein Ross.
"Ich raube meine Holde aus des Königs Edwards Schloss.
 Sie schrieb mir süße Briefe, voller Liebe, voller Lust,
mir ist's als ob sie riefe: 'komm und rette mich, du musst!'"

Allein und frohen Mutes ritt der König im Galopp,
im Wald rief ihm ein Kobold: "Halte ein, oh König, stopp!
Die Frau in deinem Herzen dient des König Edwards Heer,
schon wetzt der alte Herrscher voller Hohn an seinem Speer."

"Dir Gnom mag ich nicht glauben", sprach da Artos mit Verdruss,
"zählst nicht zu meinen Freunden und misgönnst mir den Genuss.
Die Holde sitzt im Kerker und verharrt in stiller Not,
verweile ich hier weiter, heißt's am Ende, sie sei tot!"

So riss er an den Zügeln und befeuerte sein Ross
mit Peitschenhieben trieb er's zu des fernen Königs Schloss.
Sein Weg führte durch Sümpfe, über Berge,Täler, Au'n,
sein Wille trieb ihn vorwärts, doch schon schwand ihm das Vertrau'n.  
  
Was, wenn der Kobold warnte, ohne jedes böse Ziel?
Was, wenn er ihn umgarnte, weil ihm Missgeschick gefiel?
Am Ende war die Holde nur ein Puzzlestein im Plan,
am Ende hatte Edward eine Falle aufgetan.

Da grübelte nun Artos, ritt durch's morgendliche Rot,
am Wegrand saßen Weiber, manche bettelten um Brot.
Er wandte sich an eine, mit gewelltem rotem Haar.
Er fragte sie: "Sag, Hexe: Ist mein Weg noch recht und wahr?"

"Du suchst nach deiner Liebe", gab die Schöne ihm zurück,
"wie kann das jemals falsch sein? So gedieh noch stets das Glück.
Dass Edward dich erwartet, ist dem Volke wohl bewusst,
doch liebst du seine Tochter, weil du's fühlst und weil du musst."

Der König, er ritt weiter, folgte gern des Weibes Rat,
doch flüsterten ihm Stimmen, "im Orakel liegt Verrat!"
Verlockte ihn die Schöne wohl im Auftrag ihres Herrn?
War sie's, die ihn verhexte? Sandte sie ihm ihren Stern? 

Zu weit war er geritten, eine Umkehr lohnte nicht,
Im Nebel seiner Zweifel kam das Schloss schon bald in Sicht.
Es thronte in den Bergen, mit fünf Türmen wohl bewehrt,
als Artos sie erblickte, hätt' die Furcht ihn fast verzehrt.

Wie sollte er sie retten, seine Blume, seine Fee?
Würd' Edward ihn ergreifen, tränkte bald sein Blut den Schnee.
Er fasste allen Mut und trieb sein Roß den Berg hinauf,
die Nähe seiner Holden war schon allzu schwer erkauft.

Ein Felsgeist, dunkel grollend, stellte sich ihm in den Weg,
er fragte: "Herr, was suchst du? Ist's die Liebe, dann beleg's!
   Ich glühe tausend Grad heiß, reite tapfer auf mich zu!
Beseelt dich deine Liebe, dann verschwinde ich im Nu!"

Vom weiten Ritt gezeichnet, gab sich Artos selber auf,
drum nahm er auch sein Ende ohne Hadern gern in Kauf.
Der Felsgeist wich dem Reiter, wie er's ihm zuvor gesagt,
und Artos stand vorm Schlosstor, von den Mühen schwer geplagt.

Die Tore schwangen seitwärts, als ein Jubel ihn umfing,
 Da harrte König Edward, dem's als Recke ähnlich ging.
Er führte seine Tochter, durch die Menge, Hand in Hand,
verneigte sich vor Artos, dem der letzte Zweifel schwand.

 Da stand sie, seine Liebe, schöner als er sie erträumt,
und Edward gab den Segen, den der Mutlose versäumt.
Zwei Reiche wurden eines und zwei Leben wohl vermählt,
das forderte die Liebe, deren Weg der Weise wählt.

Die Wirrungen des Lebens fordern oftmals wahren Mut. 
   Dem Edlen sei geraten: "Bleib' vor Feigheit auf der Hut!
Sie nährt in dir den Zweifel, dem das Glück gewandt entflieht.
Bleib stur wie König Artos, gleich was dir dabei geschieht..."

Die Vampirprinzessin


In Böhmen prangt ein Zauberschloss,
weit oberhalb der Moldau.
Legenden ranken um den Spross
der Herrscherin von Krumau.

Sie war eine zu Schwarzenberg,
genannt Eleonore.
Was sie gebar, war Teufelswerk,
so sang‘s das Volk im Chore.

Zu lange blieb sie ohne Sohn,
ihr Stammbaum, er erlahmte.
So tat sie vieles, Gott zum Hohn,
vor dem der Priester warnte.

Im Schlosshof hielt sie Wölfinnen,
ließ diese nächtlich melken.
Sie trank die Wolfsmilch, gab sich hin
und bannte so ihr Welken.

Bald war sie zweiundvierzig Jahr,
gebar des Fürsten Jungen.
Das schien dem Volke sonderbar,
dem Teufel abgerungen.

Schwester der Finsternis, Tochter des Unheils!
Was du verbrochen hast, harrt noch des Urteils!
Lebtest in Prunk und Ruhm, über den Armen!
Gabst dich dem Teufel hin, ohne Erbarmen!  

Aus Rache schlug das Schicksal zu,
da starb Lenores  Manne.
Des Kaisers Kugel traf im Nu,
so zog das Glück von dannen -

versehentlich, auf hoher  Jagd,
fiel Krumaus Fürst vom Pferde.
Der Kaiser, von der Reu‘ geplagt,
erwies der Witwe Ehre.

Er nahm den Spross der Wölfin auf
und lehrte ihn das Leben.   
Lenore nahm’s nicht gern in Kauf
und ließ sich reichlich geben.

Fünftausend Gulden jedes Jahr,
erhielt sie bald als Rente.
Doch ihre Freude schwand, fürwahr,
schon schien ihr Heil zu Ende.

Sie wirkte krank und ausgezehrt,
ergab sich dem Okkulten.
Das Volk sah sie als Krankheitsherd,
beinah kam’s zu Tumulten.

Schwester der Finsternis, Tochter des Unheils!
Was du verbrochen hast, harrt noch des Urteils!
Wolfsmilch verzehrte dich, nahm deine Seele,
weil dich der Teufel zum Weibe erwählte!  

Was fehlte ihr, der Teufelsbraut?
Geriet sie zur Vampirin?
Symptome schienen wohl vertraut,
so gab sie sich dem Tod hin.

Mit jedem Tag verlor sie Kraft,
und nachts sprach sie Gebete.
Von Gottes harter Hand bestraft,
gewann sie, was sie säte.   

Bevor sie starb, zog sie nach Wien -
ein letztes Aufbegehren!
Das Ende kam, die Magd verging,
der Adel zog die Lehren.

Man trennte ihr den Schädel ab
Und schnitt ihr Herz in Stücke.
Dann schickte man der Fürstin Sarg,
nach Böhmen schnell zurücke.

In Krumau setzte man sie bei,
ganz ohne Prunk und Pathos.
Man mauerte den Leichnam ein,
auf dass die Gruft ihn einschloss.

Schwester der Finsternis, Tochter des Unheils!
Was du verbrochen hast, harrt noch des Urteils!
Deine Gebeine sind sicher vermauert,
dort, wo bis heute dein Atem noch lauert.

Anmerkung des Autors:
Die Gebeine der Eleonora Schwarzenberg liegen
ohne Hinweis auf ihren Adelsstand in einer
Krumauer Kapelle begraben. Das Grab trägt
Die Inschrift: „Hier liegt die arme Sünderin
Eleonora, bittet für sie.“