Sonntag, 17. Juni 2012

Blaubeermariechen


Mariechen, ach wie liebtest du die Kinder?
Dein erster Mann, der schenkte dir gleich vier.
Sie haben dir so manchen Schmerz gelindert,
die Kriegsverluste milderten sie dir.

Du gabst dich hin, für alle deine Lieben,
durchlebtest schon das tiefste Tal der Not.
Die Armut aber hasstest du entschieden,
dir lag sehr viel am täglich frischen Brot.

Der zweite Mann ergänzte dein Verlangen,
zwei weitre Kinder schenkte er der Welt.
Die Großfamilie nahm dich ganz gefangen,
nichts Anderes hat mehr für dich gezählt.

Dein Vater wurde krank, du warst barmherzig,
du päppeltest den armen Sünder auf.
Er aber wurde dreist, beherrschend, nervig,
das nahmst du, Blaumariechen, nicht in Kauf.

Wie musstest du seinen Undank erleiden?
Sahst ihn im Traume ins Totenreich scheiden.
Was dir dein Vater bereuend vermachte,
gab dir nicht mehr, als sein Unmut vollbrachte.

Er kostete dich  mehr als er dir nutzte,
da reute dich die Milde deiner Tat.
Die Rente deckte nicht, was er verputzte,
da kam aus heitrem Himmel weiser Rat:

Du stießest auf erschütternde Berichte
vom Giftmord einer jungen, zarten Frau.
Das Zögern ging sehr schnell in dir zunichte:
das E-Sechshunderfünf passte genau.

 Er war kein guter Vater, niemals, niemals!
Du dachtest an der Rache süßen Lohn.
Er ahnte nichts, denn als du Kind warst, damals,
da warst du nur Objekt all seines Hohns.


Ein Fläschchen blauer Flüssigkeit verlockte,
die Lösung der Probleme, sie schien nah.
Wenn Vater dir schon so im Nacken hockte,
so sollte er doch sehen, was geschah.

Liebstes Mariechen, du ließest ihn ziehen,
ließest den Tor deinem Leben entfliehen.
Blaubeerkompott schickte ihn auf die Reise,
Bläuliches Gift dekorierte die Speise.

Als nächstes fing die Tante an zu nerven,
sie gab dir eine Vollmacht für die Bank,
du nutztest gerne all ihre Reserven,
die Tante war erbost, das machte krank.

Sie ging zur Polizei zum Denunzieren,
sie zeigte dich, das Blaumariechen, an.
Was musste sie dies Schauspiel inszenieren,
wo man doch solche Dinge regeln kann?

Du opfertest dich auf für ihr Befinden,
doch ihr war deine Mühe wenig wert.
Nun gut, sie mochte ihre Strafe finden,
die Strafe hat sie dankend  dann verzehrt.

Du mischtest ihr dein Gift in die Tabletten,
sie schmeckte immer gleich, die Medizin.
Das Tantchen war danach nicht mehr zu retten,
erlag dem steten Leiden, wie es schien.

Liebstes Mariechen, du ließest sie ziehen,
ließest das Tantchen dem Leben entfliehen.
Bitteres Gift schickte sie auf die Reise,
als sie die blauen Tabletten verspeiste.

Die Männer, die noch kamen, die noch gingen,
(es waren an der Zahl noch derer drei)
sie hinterließen dir im Todesringen,
noch manchen Segen, das hat dich befreit.

Du schenktest weiter, was sie dir vermachten,
denn deine Kinder brauchten ständig Geld.
Ernährer mochten in der Hölle schmachten,
du hast den Weg der Opferung gewählt.

Das Töten wurde dir bald zur Gewohnheit,
das wussten deine Kinder, sahen‘s  gern,
denn Gelder schmähen gliche einer Torheit,
das haben deine Sprösslinge gelernt.

Die Männer ahnten alle ihr Verderben,
doch keiner setzte sich beherzt zur Wehr.
Sie alle mochten Reichtümer vererben,
das freute dich, Mariechen, immer sehr.

Liebstes Mariechen, du ließest sie ziehen,
ließest die Toren dem Leben entfliehen.
Blaubeerkompott schickte sie  auf die Reise,
Bläuliches Gift dekorierte die Speise.

Erfolgreich hast du alle sie beerdigt,
in ihren Gräbern sollten sie vergehn‘.
Ein kleiner Fehler hat dein Glück beendet,
zu Vielen musstest du davon erzähl‘n.

Die Schwiegertochter wollt‘ den Sohn verlassen,
doch ahnte sie sehr weise deine Tat.
Sie fürchtete dein Gift, dein stilles Hassen,
und holte sich bei einem Anwalt Rat.

So rissen sie dich fort, vom nächsten Manne,
du wurdest schnell als Mörderin berühmt.
Du hast niemals bereut und zogst von dannen,
du gabst ja gerne, das hat Gott versöhnt.

Dement starbst du noch nicht mal im Gefängnis,
dein letzter Gang war milde, ohne Reu‘.
Erspart blieb dir die Buße, das Verhängnis,
am Ende gingst du glücklich, ohne Scheu.

Liebstes Mariechen, dir war schon verziehen,
konntest den Sünden des Lebens entfliehen.
Ohne Gedächtnis gingst du auf die Reise,
lieblich verklangst du, auf gnädige Weise .

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen